Guten Tag! Als Ihr Professor für „Wirtschafts- und Sozialpolitik“ (SS 2025) helfe ich Ihnen hier prüfungsnah und strukturiert bei Ihrem Moodle-Test und der Hausarbeit. Ich erkläre Ihnen jedes Thema einfach, verknüpft mit anderen Konzepten und komme direkt auf den Punkt. Alle Fachbegriffe werden kritisch beleuchtet und erläutert. Ihre Hauptquellen sollten stets meine Skripte und Memos sein. Hier ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Themen, die wir besprochen haben, jeweils mit Hintergrund, Definition, Beispiel, Merkhilfe, einer potenziellen Prüfungsfrage und einer kurzen Wiederholung. --- ### 1. Wirtschaftspolitik: Positive und Normative Ökonomik **1) Hintergrund** Die Wirtschaftspolitik, ein Teilgebiet der allgemeinen Politik, ist eng mit dem wirtschaftlichen Geschehen verwoben. Es gibt eine Tendenz zur Ökonomisierung der Politik, aber auch eine Notwendigkeit, politische Entscheidungen bei wirtschaftlichen Problemen zu treffen. Um wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen, ist es essenziell, die Ist-Situation nüchtern zu analysieren und von den Gestaltungszielen zu trennen. **2) Definition** * **Positive Ökonomik** (oder deskriptive Ökonomik): Beschreibt und erklärt, wie die Wirtschaft tatsächlich funktioniert oder funktionieren wird, ohne Werturteile. Sie analysiert die Ist-Situation (Lageanalyse) und erstellt Prognosen (Vorhersagen) der künftigen Entwicklung, z.B. mittels empirischer Sozialforschung und Statistik. * **Normative Ökonomik** (oder präskriptive Ökonomik): Beschäftigt sich mit der Frage, wie die Wirtschaft sein *sollte* und welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen ergriffen werden *sollten*, um bestimmte Ziele zu erreichen. Sie ist geprägt von parteipolitischen Vorstellungen, Ideologien und dem Zeitgeist. **3) Beispiel** * **Positive Ökonomik:** „Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands ist im letzten Jahr um 1,7% gewachsen und die Inflationsrate lag bei 1,0%“. Dies ist eine empirische Feststellung. * **Normative Ökonomik:** „Um die Inflation zu bekämpfen, *sollte* die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen erhöhen.“ Dies ist eine Empfehlung basierend auf einem Ziel (Preisniveaustabilität). **4) Merkhilfe** * **Positiv:** Was ist? (Wie ein Foto der Realität) * **Normativ:** Was soll sein? (Wie ein Bauplan für die Zukunft, politisch/ideologisch geprägt) **5) Prüfungsfrage** Erläutern Sie den Unterschied zwischen positiver und normativer Ökonomik und geben Sie jeweils ein Beispiel aus der Wirtschaftspolitik an. Warum ist diese Unterscheidung für die Entscheidungsfindung relevant? **6) Wiederholung** Die positive Ökonomik liefert die Fakten und Prognosen als Grundlage für Entscheidungen, während die normative Ökonomik die Ziele und gewünschten Maßnahmen festlegt, die oft von politischen oder ideologischen Vorstellungen beeinflusst sind. --- ### 2. Ziele der Wirtschaftspolitik und das Assignment-Problem **1) Hintergrund** Die Wirtschaftspolitik verfolgt verschiedene Einzelziele, die zur Steigerung der Wohlfahrt (des Gemeinwohls) beitragen sollen. Wohlfahrt ist das Maß, mit dem die Bedürfnisse oder Grundbedürfnisse des einzelnen Menschen und damit auch das Erreichen eines gewissen Lebensstandards erfüllt werden. Allerdings können zwischen diesen Zielen Zielkonflikte bestehen. Das Assignment-Problem, von Jan Tinbergen eingeführt, befasst sich mit der optimalen Zuordnung von Zielen zu den verantwortlichen Institutionen, um solche Konflikte zu minimieren. **2) Definition** * **Einzelziele der Wohlstandssteigerung:** Dazu gehören die Erhöhung der materiellen Freiheiten, soziale Sicherheit, Erhöhung des sozialen Status (soziale Mobilität), soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. * **Zielkonflikte:** Situationen, in denen das Erreichen eines Ziels das Erreichen eines anderen Ziels erschwert oder unmöglich macht. * **Assignment-Problem:** Die Herausforderung, für jedes wirtschaftspolitische Ziel eine klare Hauptverantwortung bei einer Institution oder Person zu verankern, um Zielkonflikte zu vermeiden und eine konsistente Politik zu gewährleisten. **3) Beispiel** * **Zielkonflikt:** Das Ziel der Preisniveaustabilität kann mit dem Ziel der Vollbeschäftigung in Konflikt geraten. Wenn die Zentralbank Zinsen erhöht, um Inflation zu bekämpfen, kann dies die Wirtschaft abkühlen und die Arbeitslosigkeit erhöhen. * **Assignment-Problem:** Für Geldwertstabilität ist die Geldpolitik (Zentralbank) hauptverantwortlich, während indirekte Steuern, administrative Preisanhebungen und Tariflohnsteigerungen durch Tarifvertragsparteien Mitverantwortung tragen. Würden Politiker versuchen, die Zinspolitik der Zentralbank für arbeitsmarktpolitische Ziele zu beeinflussen, entstünde ein Konflikt, den das Assignment-Problem lösen soll. **4) Merkhilfe** * **Wohlfahrt:** Oberziel, damit es uns gut geht. * **Einzelziele:** Die Bausteine zur Wohlfahrt. * **Zielkonflikt:** Wenn sich die Bausteine gegenseitig im Weg stehen. * **Assignment-Problem:** Wer ist der Chef für welches Ziel, um Chaos zu vermeiden? **5) Prüfungsfrage** Erläutern Sie das Assignment-Problem im Kontext wirtschaftspolitischer Ziele. Nennen Sie zwei wichtige wirtschaftspolitische Einzelziele und diskutieren Sie einen potenziellen Zielkonflikt zwischen ihnen. **6) Wiederholung** Die Wirtschaftspolitik hat das Oberziel der Wohlfahrtsoptimierung, erreicht durch verschiedene Einzelziele wie materielle Freiheit oder soziale Gerechtigkeit. Zwischen diesen Zielen können Konflikte entstehen. Das Assignment-Problem versucht, diese Konflikte durch eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten für einzelne Ziele zu überwinden, um eine effektive und konsistente Wirtschaftspolitik zu gewährleisten. --- ### 3. Akteure der Wirtschaftspolitik **1) Hintergrund** Wirtschaftspolitische Entscheidungen werden nicht von Einzelpersonen getroffen, sondern sind in ein komplexes Netzwerk von Akteuren eingebunden. Diese Akteure können sich teilweise gegenseitig blockieren oder den demokratischen Entscheidungsprozess mitgestalten. Das Verständnis der Rollen und Einflussbereiche dieser Akteure ist entscheidend, um die Umsetzung wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu verstehen. **2) Definition** * **Staatliche Akteure:** Umfassen das Parlament (Deutscher Bundestag als oberster Träger der Wirtschaftspolitik), die Regierung, die Verwaltung und die Rechtsprechung. Auch internationale staatliche Akteure wie die Europäische Zentralbank (EZB), der EU-Ministerrat und die Europäische Kommission gehören dazu. * **Private Institutionen / Interessengruppen:** Dazu zählen Gewerkschaften (vertreten Arbeitnehmerinteressen), Wirtschaftsverbände (vertreten Unternehmensinteressen), Kirchen (beeinflussen Werte und Soziallehre) und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) (vertreten spezifische Anliegen wie Menschenrechte, Umweltschutz). * **Lobbyismus:** Die gezielte Einflussnahme von Interessengruppen auf politische Entscheidungsträger, um eigene Anliegen durchzusetzen. **3) Beispiel** * **Staatlicher Akteur (Parlament):** Bestimmt als Verfassungs- und Gesetzgeber den Rahmen der Wirtschaftspolitik, z.B. durch die Verabschiedung von Haushaltsgesetzen oder Regulierungen. * **Privater Akteur (Gewerkschaften):** Verhandeln Tariflöhne, die die Lohnentwicklung und somit auch Lohnstückkosten und Preisniveaustabilität beeinflussen können. * **Beispiel Lobbyismus:** Erfolgreiche Lobbyarbeit der Blumenhändler in Deutschland führt zu einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Blumen, was für den Staat Steuereinnahmen reduziert, aber die Branche subventioniert. **4) Merkhilfe** * **Akteure:** Die Spieler auf dem Spielfeld der Wirtschaftspolitik. * **Staatlich:** Die Offiziellen, die die Regeln machen. * **Privat:** Die Teams, die ihre eigenen Interessen verfolgen und versuchen, die Regeln zu beeinflussen. **5) Prüfungsfrage** Nennen und erläutern Sie drei verschiedene Akteure der Wirtschaftspolitik in Deutschland. Geben Sie jeweils ein konkretes Beispiel für deren Einflussnahme oder Funktion an. Diskutieren Sie kritisch die Grenzen der Einflussnahme von Interessengruppen. **6) Wiederholung** Wirtschaftspolitik ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Akteure – staatlicher Institutionen wie Parlament und Regierung sowie privater Interessengruppen wie Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände. Alle versuchen, die wirtschaftspolitischen Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen, was zu einem vielschichtigen Prozess führt, der auch Zielkonflikte mit sich bringen kann. --- ### 4. Wirtschaftspolitische Konzeptionen: Angebots- vs. Nachfrageorientierung (Klassik & Keynesianismus) **1) Hintergrund** Die makroökonomische Betrachtung von Volkswirtschaften analysiert die Gesamtheit der Aktivitäten von Staat, privaten Haushalten und Unternehmen. Verschiedene makroökonomische Grundmodelle (Klassik, Keynesianismus, Monetarismus) treffen unterschiedliche Grundannahmen über das Verhalten von Nachfrage und Anbietern sowie über Zeithorizonte. **2) Definition** * **Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik (Klassik/Neoklassik/Monetarismus):** Betont, dass das Angebot langfristig seine eigene Nachfrage schafft (Saysches Theorem). Der Fokus liegt auf der Verbesserung der Produktionsbedingungen (z.B. durch Bürokratieabbau, Steueranreize, Wettbewerbsstärkung) und der Stabilität des Geldes. Sie unterstellt, dass Märkte (inkl. Arbeitsmarkt) zu einem Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung tendieren. * **Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik (Keynesianismus):** Geht davon aus, dass in Phasen der Unterauslastung die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu gering ist und der Staat durch expansive Fiskal- oder Geldpolitik die Nachfrage stimulieren sollte, um Vollbeschäftigung zu erreichen. Kurzfristige Betrachtung steht im Vordergrund. **3) Beispiel** * **Angebotsorientiert:** Steuersenkungen für Unternehmen, Deregulierung, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes oder Investitionen in Infrastruktur und Bildung, um das langfristige Wachstumspotenzial zu erhöhen. * **Nachfrageorientiert:** Staatsausgabenprogramme (z.B. Bau von Reichsautobahnen in den 1930ern, was allerdings einen Niedriglohnsektor schuf), Steuersenkungen für Haushalte zur Ankurbelung des Konsums oder Senkung der Leitzinsen durch die Zentralbank. **4) Merkhilfe** * **Angebotsorientiert (Klassiker/Monetaristen):** "Produziert mehr, der Rest regelt sich von selbst!" – Fokus auf die Rahmenbedingungen für Produktion und Investitionen. * **Nachfrageorientiert (Keynesianer):** "Gebt den Leuten Geld, damit sie kaufen!" – Fokus auf die Stimulierung des Konsums und der Investitionen in Krisenzeiten. **5) Prüfungsfrage** Vergleichen Sie die zentralen Annahmen und wirtschaftspolitischen Empfehlungen der angebotsorientierten und nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik. Gehen Sie dabei auf die Konzepte des Sayschen Theorems und die Rolle des Staates ein. **6) Wiederholung** Die Klassiker und Monetaristen betonen die Rolle des Angebots und die Selbstheilungskräfte des Marktes, während Keynesianer staatliche Intervention zur Nachfragestimulierung in den Vordergrund rücken. Dies sind die zwei grundlegenden Denkschulen in der Makroökonomie, die unterschiedliche Politikempfehlungen nach sich ziehen. --- ### 5. Ordnungspolitik: Soziale Marktwirtschaft **1) Hintergrund** Nach den Erfahrungen der Planwirtschaft in der NS-Zeit und der unregulierten Märkte im 19. Jahrhundert suchte Deutschland nach 1945 einen "dritten Weg". Dieser wurde maßgeblich von den Wissenschaftlern der Freiburger und Kölner Schule (Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Alfred Müller-Armack) geprägt, die den Ordoliberalismus entwickelten. **2) Definition** * **Ordoliberalismus:** Ein Konzept, das besagt, dass Freiheit – sofern sie nicht zulasten Dritter geht – nur innerhalb staatlich gesetzter Rahmenordnungen realisierbar ist. Dies führte zur Idee der Sozialen Marktwirtschaft. * **Soziale Marktwirtschaft:** Eine Wirtschaftsordnung, die auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basiert, diese aber durch staatliche Eingriffe in Form von regulierenden Prinzipien ergänzt und korrigiert, um soziale Gerechtigkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Sie ist gekennzeichnet durch konstitutive und regulierende Prinzipien. * **Konstitutive Prinzipien:** Grundlegende Elemente einer funktionierenden Marktwirtschaft, die der Staat gewährleisten muss. Dazu gehören private Eigentums- und Verfügungsrechte, Geldwertstabilität, freie Preisbildung im Wettbewerb, Vertrags- und Gewerbefreiheit, Kompetenz und Haftung sowie Konstanz in der Wirtschaftspolitik. * **Regulierende Prinzipien:** Staatliche Korrekturmaßnahmen zur Behebung von Marktversagen und zur Verwirklichung sozialer Ziele. Dazu zählen staatliche Monopolkontrolle, staatliche Umverteilungspolitik (mit anreizkompatiblem Steuersystem), soziale Sicherung und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Kompensation von Marktversagen. **3) Beispiel** * **Konstitutiv:** Die Unabhängigkeit der EZB zur Sicherung der Geldwertstabilität ist ein fundamentales konstitutives Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft. * **Regulierend:** Das Arbeitslosengeld oder die Gesetzliche Krankenversicherung sind Beispiele für soziale Sicherungssysteme, die regulierende Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft darstellen. Die Eingriffe des Kartellamtes (z.B. im Fall Tengelmann/Edeka) zur Monopolkontrolle. **4) Merkhilfe** * **Ordnungspolitik / Soziale Marktwirtschaft:** Der Staat setzt den Rahmen (Ordnung), *innerhalb* dessen der Markt funktioniert, und greift korrigierend ein, wenn der Markt versagt oder soziale Ungleichgewichte entstehen. Nicht zu verwechseln mit ständiger Einmischung (Prozesspolitik). **5) Prüfungsfrage** Erläutern Sie das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, indem Sie die konstitutiven und regulierenden Prinzipien nach Walter Eucken benennen und jeweils mit einem Beispiel veranschaulichen. Zeigen Sie auf, warum dieses Konzept einen „dritten Weg“ darstellt. **6) Wiederholung** Die Soziale Marktwirtschaft ist ein Mittelweg zwischen reinem Laissez-faire-Liberalismus und Planwirtschaft. Sie schafft einen stabilen Ordnungsrahmen für den Wettbewerb und korrigiert Marktergebnisse gezielt, um soziale Ziele und Markteffizienz zu vereinbaren. --- ### 6. Geldpolitik und Preisniveaustabilität **1) Hintergrund** Preisniveaustabilität ist ein zentrales wirtschaftspolitisches Ziel, das die Kaufkraft des Geldes sichert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Preisstabilität als eine Lehre aus der Hyperinflation der 1920er Jahre in Deutschland und den Erfahrungen mit dem Bretton-Woods-System (das 1973 endete) besonders wichtig. In der Eurozone ist die EZB primär für die Preisniveaustabilität verantwortlich. **2) Definition** * **Preisniveaustabilität:** Bezeichnet einen Zustand, in dem die durchschnittliche Entwicklung der Preise aller Waren und Dienstleistungen eines repräsentativen Warenkorbs über einen längeren Zeitraum hinweg stabil bleibt oder nur geringfügig ansteigt. Die EZB definiert Preisstabilität als jährliche Inflationsrate von unter, aber nahe 2% mittelfristig. * **Geldmenge:** Der gesamte Bestand an Geld, der in einer Volkswirtschaft zur Verfügung steht. Die Deutsche Bundesbank/EZB unterscheiden verschiedene Geldmengenaggregate: * **M1:** Bargeldumlauf und Sichteinlagen (Geld, das sofort für Transaktionen verfügbar ist). * **M2:** M1 plus Termineinlagen bis zu 2 Jahren Fälligkeit (kurzfristige Geldanlagen). * **M3:** M2 plus Repogeschäfte, Geldmarktfonds und Geldmarktpapiere (breitere Definition, inkl. marktfähiger Geldanlagen). * **Quantitätstheorie des Geldes:** Eine Theorie, die einen Zusammenhang zwischen Geldmenge (M), Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (V), Preisniveau (P) und Transaktionen (T) herstellt (M * V = P * T). Bei konstanter Umlaufgeschwindigkeit führt eine Erhöhung der Geldmenge zu einem Anstieg des Preisniveaus. * **Fiatgeld:** Geld, das keinen intrinsischen Wert besitzt und nicht durch Sachwerte gedeckt ist; seine Akzeptanz beruht auf gesellschaftlichem Konsens und staatlicher Akzeptanz (z.B. zur Steuerschuldentilgung). **3) Beispiel** * **Preisniveaustabilität:** Wenn der Verbraucherpreisindex (VPI) in einem Jahr nur um 1,5% steigt. Ein Anstieg einzelner Preise (z.B. Limonade) bedeutet noch keine Inflation, da andere Preise (z.B. Benzin) sinken könnten. * **Geldmengensteuerung:** Wenn die EZB die Geldmenge erhöht, um die Wirtschaft zu stimulieren, verschiebt sich die Geldangebotskurve nach rechts, was zu einem neuen Geldmarktgleichgewicht führt. **4) Merkhilfe** * **Preisniveaustabilität:** Die Kaufkraft des Geldes bleibt erhalten, mein Euro ist morgen noch einen Euro wert. * **Geldmengenaggregate:** M1 (direkt verfügbar), M2 (zusätzlich kurzfristig gebunden), M3 (noch breiter). Denken Sie an konzentrische Kreise – M3 umschließt M2, das M1 umschließt. * **Quantitätstheorie:** Mehr Geld bei gleicher Geschwindigkeit und Gütermenge = höhere Preise. **5) Prüfungsfrage** Definieren Sie Preisniveaustabilität und erläutern Sie, wie diese in der Eurozone gemessen wird. Beschreiben Sie ferner die Geldmengenaggregate M1, M2 und M3. Inwiefern trägt die Quantitätstheorie des Geldes zum Verständnis von Inflation bei? **6) Wiederholung** Geldpolitik zielt auf Preisniveaustabilität ab, gemessen über den Verbraucherpreisindex. Die Geldmenge wird in Aggregaten (M1, M2, M3) erfasst, deren Entwicklung eng mit dem Preisniveau, gemäß der Quantitätstheorie, verknüpft ist. Fiatgeld ist die Grundlage unseres modernen Geldsystems. --- ### 7. Fiskalpolitik und Staatsverschuldung **1) Hintergrund** Die Fiskalpolitik ist ein zentrales Instrument der Wirtschaftspolitik, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu beeinflussen, insbesondere in Bezug auf Staatsausgaben und Steuern. Staatsverschuldung ist dabei ein oft kontrovers diskutiertes Thema, insbesondere in Krisenzeiten, wie der europäischen Staatsschuldenkrise. **2) Definition** * **Fiskalpolitik:** Die Steuerung der Staatsausgaben und Steuereinnahmen, um volkswirtschaftliche Ziele wie Wachstum und Beschäftigung zu erreichen. * **Staatsverschuldung:** Die Summe der über die Jahre akkumulierten Haushaltsdefizite eines Staates. * **Haavelmo-Theorem:** Besagt, dass eine steuerfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben (d.h., Ausgaben und Steuern steigen um den gleichen Betrag) zu einer Erhöhung des gleichgewichtigen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Höhe der Staatsausgaben führt. Dies liegt daran, dass der Rückgang des Konsums durch die Steuererhöhung geringer ist als der Anstieg der Staatsausgaben (aufgrund der marginalen Konsumquote < 1). * **Laffer-Kurve:** Eine theoretische Kurve, die den Zusammenhang zwischen Steuersatz und Steueraufkommen darstellt. Sie suggeriert, dass es einen optimalen Steuersatz gibt, bei dem das Steueraufkommen maximal ist. Ein Steuersatz jenseits dieses Optimums kann das Steueraufkommen mindern, da er Anreize für Arbeit und Investitionen reduziert. **3) Beispiel** * **Expansive Fiskalpolitik:** Erhöhung der Staatskäufe (z.B. Bau von Infrastruktur wie Reichsautobahnen) oder Steuersenkungen zur Ankurbelung der Wirtschaft. * **Haavelmo-Theorem:** Eine Regierung erhöht die Staatsausgaben um 1 Mrd. Euro und finanziert dies vollständig durch eine Erhöhung der Steuern um 1 Mrd. Euro. Das Theorem besagt, dass das BIP dadurch um genau 1 Mrd. Euro steigen wird. * **Laffer-Kurve:** Wenn die Regierung die Steuersätze drastisch erhöht, könnten Bürger weniger arbeiten oder Investitionen ins Ausland verlagern, was paradoxerweise zu einem Rückgang der Steuereinnahmen führen könnte. **4) Merkhilfe** * **Haavelmo:** "Steuern und Ausgaben gleich hoch? Das BIP steigt trotzdem!" – Der Staat kann auch ohne neue Schulden die Wirtschaft ankurbeln. * **Laffer:** "Steuer auf dem Buckel? Wenn zu viel, kommt nix mehr rein!" – Nicht immer mehr Steuern = mehr Einnahmen. **5) Prüfungsfrage** Erläutern Sie das Haavelmo-Theorem und seine Implikationen für die Fiskalpolitik. Beschreiben Sie ferner die Laffer-Kurve und ihre Aussagekraft für die Steuerpolitik eines Staates. **6) Wiederholung** Fiskalpolitik nutzt Staatsausgaben und Steuern zur Wirtschaftssteuerung. Das Haavelmo-Theorem zeigt, dass selbst steuerfinanzierte Ausgaben einen positiven Effekt auf das BIP haben können. Die Laffer-Kurve warnt davor, dass übermäßig hohe Steuersätze die Anreize dämpfen und die Steuereinnahmen sogar reduzieren können. Die Staatsverschuldung ist eine zentrale Herausforderung, die durch politische Entscheidungen, wie Austeritätspolitik oder expansive Maßnahmen, beeinflusst wird. --- ### 8. Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik **1) Hintergrund** Der internationale Handel und die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern sind zentrale Themen der Wirtschaftspolitik. Theorien wie die komparativen Kostenvorteile nach Ricardo oder das Heckscher-Ohlin-Modell erklären, warum und wie Länder Handel betreiben. Die Rolle von Handelsschranken (Protektionismus) und Investitionen ist dabei ebenso wichtig wie die Frage nach den Ursachen von Unterentwicklung. **2) Definition** * **Komparativer Kostenvorteil:** Ein Land hat einen komparativen Kostenvorteil bei der Produktion eines Gutes, wenn es dieses Gut zu geringeren Opportunitätskosten herstellen kann als ein anderes Land. Dies ist die Grundlage für gewinnbringenden internationalen Handel. * **Absoluter Kostenvorteil:** Ein Land hat einen absoluten Kostenvorteil, wenn es ein Gut mit weniger Inputs (z.B. Arbeit) produzieren kann als ein anderes Land. Der Handel basiert jedoch auf komparativen, nicht absoluten Vorteilen. * **Heckscher-Ohlin-Modell (Faktorproportionen-Ausgleichstheorem):** Erklärt Handel durch Unterschiede in der Faktorausstattung (z.B. Menge an Arbeit und Kapital). Länder exportieren Güter, die ihren reichlich vorhandenen Produktionsfaktor intensiv nutzen, und importieren solche, die ihren knappen Faktor intensiv nutzen. Ziel ist eine Angleichung der Faktorpreise zwischen den Ländern. Annahmen sind u.a. gleiche Technologie und keine Handelsbarrieren. * **Protektionismus:** Wirtschaftspolitische Maßnahmen, die heimische Industrien vor ausländischer Konkurrenz schützen sollen. Dazu gehören tarifäre Handelshemmnisse (Zölle, Exportsubventionen) und nicht-tarifäre Handelshemmnisse (Qualitätsnormen, Selbstbeschränkungsabkommen). * **Direktinvestitionen (FDI):** Finanzielle Beteiligungen an einem Unternehmen in einem anderen Land, die dazu bestimmt sind, einen dauerhaften Einfluss auf die Geschäftspolitik auszuüben (statistisch meist >10% des Grundkapitals). * **Portfolioinvestitionen:** Kauf von Wertpapieren (Aktien, Anleihen) im Ausland, meist mit kürzerem Investitionshorizont und ohne direkten Einfluss auf die Geschäftsführung (<10% des Grundkapitals). * **Zahlungsbilanz:** Ein systematisches Rechnungssystem, das alle ökonomischen Transaktionen zwischen In- und Ausländern über eine bestimmte Periode abbildet. Sie besteht aus Teilbilanzen (Leistungsbilanz, Vermögensübertragungsbilanz, Kapitalbilanz, Devisenbilanz) und ist als Ganzes immer ausgeglichen. * **Leistungsbilanz:** Erfasst Güter- und Dienstleistungsexporte/-importe, Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie laufende Übertragungen. Ein Überschuss bedeutet Kapitalabfluss, ein Defizit Kapitalzufluss. * **Wechselkurs:** Der Preis einer Währung ausgedrückt in einer anderen Währung. Es gibt Preisnotierung (Einheiten ausländischer Währung pro Einheit heimischer Währung) und Mengennotierung (Einheiten heimischer Währung pro Einheit ausländischer Währung). * **Kaufkraftparitätentheorie:** Besagt, dass gleiche Güter weltweit den gleichen Preis haben sollten, wenn man sie mit dem jeweiligen Wechselkurs in eine einheitliche Währung umrechnet ("Law of one Price"). Gibt Hinweise auf die langfristige Wechselkursentwicklung. * **Dependencia-Theorien (exogene Ursachen der Unterentwicklung):** Gehen davon aus, dass Unterentwicklung durch historisch gewachsene Abhängigkeiten der Entwicklungsländer (Peripherie) von den Industrieländern (Zentrum) und deren geopolitischen Interessen verursacht wird (z.B. Kolonialismus). * **Endogene Entwicklungshemmnisse:** Ursachen der Unterentwicklung, die in den betroffenen Ländern selbst liegen, z.B. geringe Spar-/Investitionstätigkeit, Mangel an selbst entwickelten Institutionen. **3) Beispiel** * **Komparativer Vorteil:** Bangladesch hat einen komparativen Vorteil bei der Herstellung von Hosen, die USA bei Tablet-Computern. Spezialisierung und Handel erhöhen die Wohlfahrt beider Länder. * **Protektionismus:** Die Einführung von Zöllen auf importierte Kraftfahrzeuge, um heimische Hersteller zu schützen. * **Leistungsbilanzüberschuss:** Deutschland erzielt seit Jahren Exportüberschüsse, was zu einem Leistungsbilanzüberschuss und einem spiegelbildlichen Kapitalabfluss (Defizit in der Kapitalbilanz) führt. **4) Merkhilfe** * **Handel:** Warum? Weil jeder etwas besser kann oder zu geringeren Opportunitätskosten. * **Zahlungsbilanz:** Die große Abrechnung des Landes mit dem Rest der Welt. Ist immer ausgeglichen. * **Protektionismus:** Mauern bauen, um die eigenen Leute zu schützen – oft mit hohen Kosten. * **Entwicklung:** Entweder die Länder sind selbst schuld (endogen) oder andere Länder sind schuld (exogen). **5) Prüfungsfrage** Erläutern Sie das Heckscher-Ohlin-Modell als Erklärung für internationale Handelsmuster. Gehen Sie dabei auf seine Kernannahmen und einen wesentlichen Kritikpunkt ein. Diskutieren Sie ferner, welche Auswirkungen ein Leistungsbilanzüberschuss für ein Land haben kann. **6) Wiederholung** Außenwirtschaft und Entwicklungspolitik analysieren, warum und wie Länder international interagieren. Handel ist vorteilhaft, wenn Länder komparative Vorteile nutzen. Die Zahlungsbilanz erfasst alle Transaktionen und ist immer ausgeglichen. Protektionismus versucht, die heimische Wirtschaft zu schützen, während Entwicklungsansätze endogene und exogene Ursachen für Wohlstand und Armut betrachten. --- ### 9. Marktversagen und Staatsversagen **1) Hintergrund** Das Referenzmodell für die Wirtschaftspolitik ist der vollkommene Wettbewerb (Polypol), der zu einer effizienten Allokation von Ressourcen führt und Wohlfahrtsmaxima erzeugt. In der Realität können Märkte jedoch versagen (Marktversagen), d.h. sie führen nicht zu den volkswirtschaftlich gewünschten optimalen Ergebnissen. Dies rechtfertigt staatliche Eingriffe. Allerdings kann auch der Staat bei seinen Interventionen Probleme verursachen (Staatsversagen). **2) Definition** * **Marktversagen:** Eine Situation, in der der Markt die Ressourcen nicht effizient verteilt. Hauptursachen sind: * **Marktmacht:** Ein einzelner Anbieter oder Nachfrager kann den Marktpreis oder die Menge beeinflussen (z.B. Monopol, Oligopol). * **Zunehmende Skalenerträge:** Mit steigender Produktionsmenge sinken die Stückkosten dauerhaft, was zur Entstehung natürlicher Monopole führen kann. * **Externe Effekte (Externalitäten):** Kosten oder Nutzen, die sich aus der Produktion oder dem Konsum eines Gutes ergeben, aber nicht im Marktpreis reflektiert werden. * *Negative Externalitäten:* Schädigung Dritter (z.B. Umweltverschmutzung durch Produktion). Maßnahmen zur Internalisierung: Pigou-Steuer, handelbare Verschmutzungsrechte, Coase-Theorem. * *Positive Externalitäten:* Nutzen für Dritte (z.B. Impfungen, Bildung). * **Öffentliche Güter:** Güter, die gleichzeitig von vielen Personen genutzt werden können, ohne dass Rivalität im Konsum besteht und ohne dass Personen vom Konsum ausgeschlossen werden können. (z.B. Landesverteidigung, Brandschutz). * **Asymmetrische Informationen (Informationsmängel):** Eine Marktseite hat mehr oder bessere Informationen als die andere. Formen: * *Qualitätsunkenntnis:* Eine Marktseite kann die Qualität eines Produktes nicht einschätzen (führt zur Negativauslese/Adverse Selektion). * *Verborgene Handlungen (Moral Hazard):* Eine Marktseite verändert nach Vertragsabschluss ihr Verhalten zum Nachteil der anderen (z.B. übermäßiges Risiko bei Versicherungen). * **Staatsversagen:** Probleme, die bei staatlichen Eingriffen in den Marktprozess entstehen können. Ursachen: * **Hohe Kosten für Informationsbeschaffung:** Der Staat kann nicht alle relevanten Informationen über komplexe Märkte besitzen. * **Begrenztes Wissen über Wirkungszusammenhänge:** Unklarheit über die tatsächlichen Effekte staatlicher Maßnahmen. * **Eigeninteressen der Politiker und Administration (Public Choice Theory):** Politiker und Bürokraten verfolgen eigene Ziele (z.B. Wiederwahl, Machtausbau, Sicherung des Arbeitsplatzes) anstatt des Gemeinwohls, was zu ineffizienten Entscheidungen führt. **3) Beispiel** * **Marktmacht:** Die Deutsche Bahn im Fernverkehr hat erhebliche Marktmacht, da es kaum Alternativen gibt, was zu hohen Preisen führen kann. * **Negative Externalität:** Umweltverschmutzung durch eine Fabrik, die nicht die vollen Kosten ihrer Emissionen trägt. * **Öffentliches Gut:** Eine Deichanlage, die alle Anwohner vor Hochwasser schützt, ohne dass jemand ausgeschlossen werden kann und die Nutzung durch einen anderen einschränkt. * **Qualitätsunkenntnis:** Der "Gebrauchtwagenmarkt" (Market for Lemons) von Akerlof, wo schlechte Qualität die gute Qualität vom Markt verdrängt, weil Käufer die Qualität nicht beurteilen können. * **Moral Hazard:** Ein Vollkaskoversicherter fährt rücksichtsloser, da das Risiko eines Schadens auf die Versicherung abgewälzt wird und das Verhalten vom Versicherer schwer beobachtbar ist. * **Staatsversagen (Eigeninteresse):** Wenn Politiker eine bestimmte Industrie (z.B. Schiffswerften) unterstützen, nur weil dort ihr Wahlkreis liegt, auch wenn es volkswirtschaftlich ineffizient ist. Oder die Beibehaltung von Positionen in der Verwaltung, auch wenn deren Funktion durch technologische Entwicklung (KI) überflüssig geworden ist. **4) Merkhilfe** * **Marktversagen:** Der freie Markt kann seine Aufgabe nicht (gut genug) erfüllen. * **Staatsversagen:** Der Staat versucht, es besser zu machen, aber macht es selbst nicht (gut genug). **5) Prüfungsfrage** Erklären Sie den Begriff des Marktversagens und nennen Sie drei Hauptursachen dafür. Diskutieren Sie zudem kritisch, was unter Staatsversagen zu verstehen ist und welche Probleme daraus für die Wirtschaftspolitik erwachsen können. Geben Sie jeweils ein Beispiel. **6) Wiederholung** Marktversagen tritt auf, wenn der freie Markt aus verschiedenen Gründen (Marktmacht, Externalitäten, öffentliche Güter, asymmetrische Informationen) keine effiziente Allokation erreicht. Dies erfordert staatliche Intervention. Allerdings ist auch der Staat nicht fehlerfrei, und Staatsversagen kann durch Informationsdefizite oder Eigeninteressen der Akteure entstehen, was wiederum zu suboptimalen Ergebnissen führt. --- ### 10. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) **1) Hintergrund** Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) ist ein quantitatives Abbild des Wirtschaftsgeschehens einer Volkswirtschaft über eine abgelaufene Periode (z.B. ein Wirtschaftsjahr). Sie wurde entwickelt, um die ökonomische Aktivität zu messen und dient als Grundlage für die Wirtschaftspolitik und Unternehmensentscheidungen. **2) Definition** * **Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR):** Ein umfassendes statistisches System zur Erfassung und Darstellung aller ökonomischen Transaktionen und Ströme in einer Volkswirtschaft. * **Bruttoinlandsprodukt (BIP):** Der Wert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einer Volkswirtschaft (dem Inland) von In- und Ausländern produziert werden (Inlandskonzept). * **Bruttonationaleinkommen (BNE) / Bruttosozialprodukt (BSP):** Die Summe aller von Inländern (Personen oder Unternehmen, die ihren Wohn- oder Hauptsitz im Inland haben) erwirtschafteten Einkommen innerhalb eines Jahres, unabhängig davon, ob diese im In- oder Ausland erzielt wurden (Inländerkonzept). * **Nettoinlandsprodukt (NIP):** BIP abzüglich Abschreibungen (Kosten für den Verschleiß von Anlagen). * **Nettonationaleinkommen (NNE):** BNE abzüglich Abschreibungen. * **Schattenwirtschaft:** Ökonomische Aktivitäten, die statistisch nicht bei der Wertschöpfung erfasst werden können und daher geschätzt werden müssen. * **Konsumausgaben des Staates:** Der Wert der Güter, die der Staat selbst herstellt (ohne selbst erstellte Anlagen und Verkäufe), sowie Ausgaben für Güter, die als soziale Sachtransfers den privaten Haushalten für ihren Konsum zur Verfügung gestellt werden. * **Arbeitnehmerentgelt:** Setzt sich aus Bruttolöhnen und -gehältern der Arbeitnehmer sowie den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber zusammen. **3) Beispiel** * **BIP vs. BNE:** Wenn ein deutsches Unternehmen in den USA Gewinne erzielt, fließen diese ins deutsche BNE ein, nicht aber ins deutsche BIP. Umgekehrt fließen Gewinne eines amerikanischen Unternehmens in Deutschland ins deutsche BIP ein, nicht aber ins deutsche BNE. * **Kritik am BIP als Wohlstandsindikator:** Das BIP erfasst nicht die Verteilung von Einkommen und Vermögen, ökologische Rahmenbedingungen (Umweltzerstörung, Nachhaltigkeit) oder unentgeltliche Leistungen im Haushalt (z.B. Hausarbeit). Alternative Messgrößen sind der Gini-Koeffizient (Verteilung), der Human-Development-Index (HDI) (inkl. Lebenserwartung, Bildung) oder der Happy-Planet-Index (HPI) (inkl. Lebenszufriedenheit, Naturverbrauch). **4) Merkhilfe** * **BIP:** Produktion *im Land* (egal von wem). * **BNE:** Einkommen *der Inländer* (egal wo erzielt). * **VGR:** Das ökonomische "Röntgenbild" einer Volkswirtschaft. **5) Prüfungsfrage** Definieren Sie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und das Bruttonationaleinkommen (BNE) und erklären Sie den Unterschied zwischen diesen beiden Größen anhand des Inlands- und Inländerkonzepts. Diskutieren Sie kritisch die Aussagekraft des BIP als alleinigen Wohlstandsindikator und nennen Sie alternative oder ergänzende Messgrößen. **6) Wiederholung** Die VGR misst das Wirtschaftsgeschehen, wobei BIP und BNE zentrale Größen sind, die die Wirtschaftsleistung geografisch (BIP) oder nach Wohnsitz (BNE) abgrenzen. Obwohl das BIP ein wichtiger Indikator ist, hat es Grenzen bei der Messung von Wohlstand und Lebensqualität, weshalb ergänzende Indikatoren relevant sind. Importe werden beim BIP subtrahiert, da sie im Ausland produziert wurden. --- ### 11. Historisch-genetische Analyse der Wirtschaftspolitik (19. & 20. Jh.) **1) Hintergrund** Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert markierte das Ende der traditionellen Ökonomie und führte zu tiefgreifenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Das 20. Jahrhundert war geprägt von Weltkriegen, Wirtschaftskrisen und dem Aufbau unterschiedlicher Wirtschaftsordnungen. **2) Definition** * **Industrialisierung:** Prozess des Übergangs von einer agrarisch geprägten Gesellschaft zu einer Industriegesellschaft, gekennzeichnet durch Kapitalakkumulation, Wissenschaftsfreiheit, liberale Gesellschaften, offene Märkte, Arbeitsteilung (Taylorismus), Serienfertigung (Fordismus), hohe Innovationskraft, Urbanisierung und Wettbewerb. Sie führte zu einem rasanten Anstieg der Mietpreise und sozialem Elend. * **Kriegswirtschaft:** Die Umstellung einer Volkswirtschaft auf die Bedürfnisse des Krieges, verbunden mit Versorgungsschwierigkeiten, Fokus auf Kriegsgütern, Rückgang ziviler Güter, steigender Staatsverschuldung und Einberufung von Arbeitskräften. * **Weltwirtschaftskrise (1929ff.):** Eine globale Wirtschaftskrise, die in Deutschland durch Deflationspolitik (Brüning) und Versuche, die Wirtschaft über den Export anzukurbeln (scheiterte an ähnlichen Maßnahmen anderer Länder), bekämpft wurde. Die NSDAP setzte auf Arbeitsbeschaffungsprogramme (z.B. Reichsautobahnen) unter Schaffung eines Niedriglohnsektors. * **Währungsreform 1948:** Einführung der D-Mark in den Westzonen, ein wichtiger Schritt für den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. * **Wirtschafts- und Sozialpolitik der DDR (Planwirtschaft):** Gekennzeichnet durch steuerfinanzierte Einheitsversicherung, Ausschluss von Arbeitslosigkeit, Preisfestsetzung (Höchstpreise), Kollektivierung der Produktionsmittel und die "Tonnenideologie" (Fokus auf mengenmäßige Produktion ohne Rücksicht auf Qualität oder Nachfrage). * **Merkantilismus:** Wirtschaftspolitische Schule, die den Reichtum eines Landes mit dem Bestand an Edelmetallen (Schatz) und einer aktiven Handelsbilanz (Exportüberschüssen) gleichsetzt. * **Französischer Merkantilismus (Colbertismus):** Intensive Förderung der gewerblichen Wirtschaft, Schaffung eines einheitlichen Zoll- und Marktgebiets, staatliche Manufakturen, Preistaxen, Exportverbote für Nahrungsgüter zur Lohnkostenreduktion. * **Deutscher Merkantilismus (Kameralismus):** Fokus auf Mehrung des fürstlichen Schatzes und Bevölkerungszunahme ("Peuplierung"). Gleiche praktische Politik wie Colbertismus, ergänzt durch systematische verwaltungstechnische Verfahrensgrundsätze (kameralistische Rechnungsführung). **3) Beispiel** * **Industrialisierung:** Die Erfindung der Spinning Jenny (1764) oder die Bessemermethode für die Stahlproduktion ermöglichten neue Produktionsmethoden. * **Weltwirtschaftskrise:** Der Bau der Reichsautobahnen in Deutschland als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der NSDAP. * **DDR-Planwirtschaft:** Das Werbeplakat für den Ersten Fünfjahrplan mit Fokus auf Schwerindustrie. **4) Merkhilfe** * **19. Jh.:** Kohle, Dampf, Fabriken, Städte, soziale Probleme, freie Märkte. * **20. Jh.:** Kriege, Krisen, Planwirtschaft vs. Marktwirtschaft, Globalisierung. * **Merkantilismus:** Staatliche Schatzkammer füllen und viele Leute im Land haben. **5) Prüfungsfrage** Beschreiben Sie die zentralen Merkmale des Industrialisierungsprozesses im 19. Jahrhundert und erläutern Sie zwei gesellschaftliche Folgen. Vergleichen Sie zudem kurz die Konzepte des französischen und deutschen Merkantilismus. **6) Wiederholung** Die Industrialisierung legte den Grundstein für moderne Volkswirtschaften, brachte aber auch soziale Verwerfungen mit sich. Die großen Krisen und Kriege des 20. Jahrhunderts führten zu unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Systemen (Planwirtschaft vs. Soziale Marktwirtschaft). Historische Ansätze wie der Merkantilismus zeigen frühe Formen staatlicher Wirtschaftslenkung. --- ### 12. Demographischer Wandel und Arbeitsmarktpolitik **1) Hintergrund** Der demographische Wandel, insbesondere in Industrieländern wie Deutschland, hat weitreichende Folgen für Arbeitsmärkte, Produktivität und soziale Sicherungssysteme. Die Analyse der Bevölkerungsentwicklung ist daher eine zentrale Aufgabe der Sozialpolitik. **2) Definition** * **Demographischer Wandel:** Langfristige Veränderungen in der Alters- und Geschlechtsstruktur einer Bevölkerung, hauptsächlich bedingt durch Geburtenraten, Sterberaten und Migration. * **Natürliche Bevölkerungsentwicklung:** Die Differenz zwischen der Zahl der Lebendgeburten und der Zahl der Sterbefälle in einem bestimmten Zeitraum. * **Zusammengefasste Geburtenziffer:** Gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Durchschnitt in ihrem Leben bekommen würde, basierend auf den altersspezifischen Geburtenhäufigkeiten eines beobachteten Jahres. * **Modell des demographischen Übergangs:** Beschreibt typische Phasen der Bevölkerungsentwicklung von hohen Geburten- und Sterberaten zu niedrigen Raten. * **Strukturelle Arbeitslosigkeit:** Arbeitslosigkeit, die durch dauerhafte Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur entsteht, z.B. durch Technologiewandel oder veränderte Qualifikationsanforderungen. * **Lohnpolitik:** Die Festlegung von Löhnen, meist durch Tarifverhandlungen zwischen Tarifpartnern (Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften). * **Lohnstückkosten:** Die Lohnkosten pro produzierter Einheit. Sie sind ein wichtiger Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Lohnstückkosten = Lohn pro Arbeitsstunde / Arbeitsproduktivität. * **Sozialversicherungen (Umlageverfahren / Generationenvertrag):** Systeme, in denen die Beiträge der aktuell Erwerbstätigen direkt zur Finanzierung der Leistungen an die aktuellen Rentner, Kranken, Arbeitslosen etc. verwendet werden. Sie basieren auf Solidarität zwischen den Generationen. **3) Beispiel** * **Demographischer Wandel in Deutschland:** Sinkende Geburtenraten und steigende Lebenserwartung führen zu einer alternden Gesellschaft und einem Fachkräftemangel. Dies führt zu Druck auf die Produktivität und die Sozialversicherungen. Deutschland braucht Zuwanderung, um diesen Effekt abzumildern. * **Lohnpolitik:** Bundesbankchef Weidmann forderte ein Lohnplus von 3% (2% Preisanstieg + 1% Produktivitätswachstum), um Preisstabilität zu gewährleisten. Dies ist eine Orientierungsformel für Tarifparteien. * **Sozialversicherungen:** Die Rentenversicherung funktioniert in Deutschland nach dem Umlageverfahren (Generationenvertrag). Der Gesundheitsfonds ist ein Beispiel für eine Finanzierungsreform im Gesundheitssystem. **4) Merkhilfe** * **Demographischer Wandel:** Weniger Babys, mehr Alte = Problem für Rente und Fachkräfte. * **Lohnstückkosten:** Dein Lohn geteilt durch das, was du produzierst – je niedriger, desto wettbewerbsfähiger das Land. * **Generationenvertrag:** Die Jungen zahlen für die Alten. **5) Prüfungsfrage** Erläutern Sie die Hauptursachen und Folgen des demographischen Wandels in Industrieländern wie Deutschland. Diskutieren Sie dabei insbesondere die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Sozialversicherungen. Welche Rolle spielen Lohnstückkosten in diesem Kontext? **6) Wiederholung** Der demographische Wandel, angetrieben durch sinkende Geburtenraten und steigende Lebenserwartung, stellt Gesellschaften vor große Herausforderungen. Er beeinflusst die Verfügbarkeit von Arbeitskräften (Fachkräftemangel), die Produktivität und die Finanzierung von Sozialversicherungssystemen. Eine umsichtige Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik, die die Lohnstückkosten im Blick hat, ist entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. --- ### 13. Industriepolitik und Geoökonomik **1) Hintergrund** Industriepolitik, oft als staatlicher Eingriff in die Wirtschaft verstanden, ist in den letzten Jahren wieder stärker in den Fokus gerückt, da einige Staaten versuchen, gezielt bestimmte Sektoren zu fördern, um wirtschaftliche Stärke und geopolitische Ansprüche zu sichern. Dies steht oft im Kontrast zu liberalen Wirtschaftskonzepten, die auf die Selbstregulierungsfähigkeiten des Marktes vertrauen. **2) Definition** * **Industriepolitik:** Die Annahme, dass der Markt allein keine wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstrukturen schafft, weshalb der Staat Teile der Wirtschaft nach seinen normativen Vorstellungen umbauen muss. Dies kann hohe und dauerhafte Kosten für den Staat verursachen. * **Geoökonomik:** Die Beeinflussung außen- und sicherheitspolitischer Entwicklungen unter Berücksichtigung der geografischen Lage und die Erkenntnis, dass wirtschaftliche Stärke zu geopolitischen Ansprüchen führen kann. Es geht um internationale Wirtschaftspolitik, die ein langfristiges Gleichgewicht der wirtschaftlichen und politischen Kräfte zum Gegenstand hat. * **Clusteraufbau:** Gezielte Förderung von regionalen Ansammlungen von Unternehmen und Institutionen in einem bestimmten Sektor, um Synergien und Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. * **Alternativen zur Industriepolitik:** Statt direkter staatlicher Steuerung können auch Maßnahmen zur Stärkung der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes dienen, z.B. Investitionen in Bildung, Verkehr, preiswerte Energie, Marktöffnungen, Bürokratieabbau, Steuersenkungen und Reformen der Sozialversicherungssysteme. **3) Beispiel** * **Industriepolitik:** Die Förderung des Aufbaus von Batteriefabriken für Elektroautos in Deutschland durch den Staat, obwohl es Lizenzprobleme oder fehlendes Fachwissen gibt. Dies ist ein Versuch, eine neue Industrie aufzubauen und Arbeitsplätze zu sichern. * **Geoökonomik:** Chinas Bestrebungen zur Sicherung von Seewegen und Rohstoffvorkommen im südchinesischen Meer, die durch seine wirtschaftliche Stärke untermauert werden. * **US-Zollpolitik:** Maßnahmen wie Zölle, um die eigene Wirtschaft zu stärken, können aber zu Fehlallokationen, anhaltender Subventionspolitik und Vertrauensverlust führen. Donald Trump's Handelspolitik ist ein Beispiel. **4) Merkhilfe** * **Industriepolitik:** Der Staat als Bauherr der Wirtschaft. * **Geoökonomik:** Wirtschaft und Macht, geografisch gedacht. **5) Prüfungsfrage** Definieren Sie Industriepolitik und erläutern Sie die Annahme, die ihr zugrunde liegt. Nennen und begründen Sie kritisch zwei potenzielle Risiken einer solchen Politik. Zeigen Sie zudem zwei Alternativen auf, die zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes beitragen können. **6) Wiederholung** Industriepolitik versucht, durch gezielte staatliche Eingriffe neue Wirtschaftsstrukturen zu schaffen, oft mit dem Ziel, die wirtschaftliche Stärke und geopolitische Position eines Landes zu verbessern. Sie ist jedoch mit hohen Kosten und Risiken verbunden und hat Alternativen, die auf eine breitere Stärkung der Standortqualität abzielen. Die Geoökonomik verbindet dabei wirtschaftliche und politische Strategien im internationalen Kontext. --- ### 14. Neue Wachstumstheorie (Romer) **1) Hintergrund** Die traditionelle neoklassische Wachstumstheorie (z.B. Solow-Modell) erklärte Wachstum primär durch Kapitalakkumulation und externes, exogenes technologisches Fortschritt. Paul Romer entwickelte die "Neue Wachstumstheorie" (oder Endogene Wachstumstheorie), um technologischen Fortschritt als endogenen Faktor, also innerhalb des Wirtschaftssystems entstehend, zu erklären. **2) Definition** * **Neue Wachstumstheorie (Endogene Wachstumstheorie):** Eine Theorie, die Wirtschaftswachstum als Ergebnis endogener Prozesse innerhalb eines Wirtschaftssystems betrachtet. Im Gegensatz zu älteren Theorien wird technologischer Fortschritt nicht als externer Faktor, sondern als Ergebnis von Investitionen in Humankapital, Forschung und Entwicklung (F&E) und der Produktion von Wissen verstanden. Innovation und Wissen sind dabei Güter mit zunehmenden Skalenerträgen (Non-Rivalität und teilweise Nicht-Ausschließbarkeit). * **Endogener technologischer Fortschritt:** Technologischer Fortschritt, der durch bewusste ökonomische Entscheidungen (Investitionen in F&E, Bildung) erzeugt wird und somit Teil des Modells ist. **3) Beispiel** * **Endogener Fortschritt:** Unternehmen investieren in die Entwicklung neuer Software oder Robotertechnologien, die die Produktivität steigern. Regierungen finanzieren Grundlagenforschung an Universitäten oder fördern Bildungsprogramme, die das Humankapital verbessern. * **Biotechnologie:** Ein Bereich, in dem das Mischen von Elementen in hochgeordnete Strukturen (wie Proteine) zu wertvollen Produkten führt, ist ein Beispiel für die Möglichkeiten, die durch endogenen technologischen Fortschritt entstehen können. **4) Merkhilfe** * **Romer:** "Wissen ist Macht, und Wachstum!" – Technologie und Wissen kommen aus der Wirtschaft selbst, nicht vom Himmel. **5) Prüfungsfrage** Erläutern Sie die Kernaussage der Neuen Wachstumstheorie nach Paul Romer. Wie unterscheidet sie sich von früheren Wachstumstheorien in Bezug auf die Rolle des technologischen Fortschritts? Nennen Sie zwei konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf den Annahmen dieser Theorie basieren könnten. **6) Wiederholung** Die Neue Wachstumstheorie, insbesondere von Paul Romer, betont, dass Wirtschaftswachstum nicht nur durch Kapitalakkumulation, sondern wesentlich durch endogen erzeugten technologischen Fortschritt und Wissen getrieben wird. Investitionen in Bildung und Forschung sind daher zentrale Hebel für langfristiges Wachstum. ---

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